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Frater .717. im Interview 2

Niederschrift eines Gesprächs  (2002)

F: Du hast zuvor von einem Buch über ein Spezialthema gesprochen. Was könnte das sein? Es interessiert mich auch, wie du dich und deine Arbeit heute selbst definierst.

A: Uh, …. Das waren jetzt mindestens 2 ½ Fragen. Wie ich mich selbst definiere? Nach wie vor als Suchender, Forscher oder Adept. Psychonaut gefällt mir auch sehr gut…..

Zu meiner Arbeit: Nun, seit längerer Zeit beschäftige ich mich intensiv mit Astralarbeit und Experimenten zu Zeit und Raum. Ob das aber jemals ein Buch wird weiß ich nicht. Ein weiteres persönliches Schwerpunktthema ist Vodoo, Palo, IFA und Santeria.

F: Vodoo? Lässt sich das mit Chaosmagie vereinbaren?

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A: Klar doch. Ich sehe viele Aspekte der Chaosmagie im Vodoo. Natürlich darf man nicht all die vielen verschiedenen Richtungen in einen Topf werfen. Manche sind stärker durch Religion bestimmt, manche weniger. Jede Richtung ist für sich sehr strikt, ja oft sogar extrem dogmatisch, was wohl kaum mit Chaosmagie zu tun hat. Wenn man jedoch genauer hinsieht, erkennt man schnell wie viele verschiedene Richtungen und Traditionen beteiligt sind, bzw. in diese Systeme integriert wurden. Auch der natürliche Zugang zu den verschiedenen „heiligen Ritualgegenständen und richtigen Korrespondenzen“. Zum Beispiel Reinigungsriten. In der klassischen Literatur findest du hier Vorgaben über die RICHTIGEN Mittel, zumeist Wasser oder auch Salz. Im Vodoo habe ich Reinigungsriten kennen gelernt, die mit Palmöl eingeriebenen Eiern durchgeführt wird. Unlängst durfte ich an einer Yoruba Zeremonie teilnehmen. Wir mussten uns mit Salat reinigen. Ja warum denn nicht mit Eiern oder Salat?

Ein anderes Beispiel sind Heiligenfiguren . Die dürfen hier ruhig auch mal aus Plastik sein und sie fügen sich neben Knochen, Muscheln und alten Ritualgegenständen, die bereits seit Generationen weitergegeben werden perfekt in das Gesamtbild ein.

Ich habe durch die Beschäftigung mit Vodoo auch ganz andere Dinge gelernt.

In der Magie, die ich davor kannte war es immer existenziell wichtig zwar möglichst tief in Trance zu sein, aber letztendlich immer die Kontrolle zu bewahren. Im Vodoo funktioniert das nicht, oder nur teilweise. Dort gibt es zumeist ein Eröffnungsritual, in dem Exu – Papa Legba die Tore für alle anderen Loas öffnet. Ohne den läuft da einfach nichts!

Sind die Tore geöffnet, werden verschiedene Loas eingeladen zu kommen. Wenn dann ein Loa kommt, erscheint er nicht im klassischen Dreieck und wird auch nicht „kontrolliert“ invoziert. Der Loa reitet dich. Du musst es geschehen lassen. Es handelt sich also mehr um eine Besessenheit ohne wirkliche Kontrolle. Undenkbar in der klassischen Magie, kaum praktiziert in der Chaosmagie. Ich kenne das vom Clanwesen, aber das ist ja auch keine magische oder chaosmagische Erfindung, sondern kommt aus dem indianischen Schamanismus.

Die Vodoo-Loas werden jedenfalls eingeladen wie willkommene Gäste. Sie bekommen Speis und Trank, Alkohol, Tabak, Kräuter, Blumen, Musik,…. Dann werden sie gebeten Wünsche zu erfüllen.

Gut, das ist jetzt extrem vereinfacht ausgedrückt, zeigt aber den prinzipiellen Zugang.

Mir selbst hat das anfangs großes Unbehagen bereitet, wo ich doch so darauf bedacht war die berühmte Kontrolle nie zu verlieren.

Ich musste auf´s Neue lernen los zu lassen. Das hat mir allerdings ein paar meiner stärksten magischen Erfahrungen beschert und mich dazu ermuntert auf diesem Gebiet weiter zu forschen.

F: Gibt es denn auch praktizierende Vodoo-Gruppen im deutschsprachigen Raum?

A: Sicherlich! Ich durfte erst vor wenigen Wochen eine Maman kennen lernen, eine große und kraftvolle Frau, die in Wien wohnt und praktiziert. Ich bin sicher es gibt noch einige andere, doch die meisten arbeiten wahrscheinlich eher versteckt. Vodoo ist ja wie auch Chaosmagie, noch lange nicht gesellschaftsfähig bei uns.

Umso mehr freue ich mich über ein neues Projekt. Ich arbeite mit „Vodoo-Freunden“ aus Benin an einem Portal im Internet . Sie wollen erstmals verschiedenste Informationen über Ritual und Religion der Öffentlichkeit preisgeben.

In und um den Pakt hat sich eine Gruppe gefunden, die sich bereits seit Jahren mehr oder weniger autodidakt und mit einem sehr chaosmagischen Zugang mit Voodoo befasst. Wir haben es Alpenvoodoo genannt, um unseren speziellen Zugang zu verdeutlichen.

F: Wie stellt sich Deiner Meinung nach ganz allgemein die Situation von MagierInnen oder magischen Orden im deutschsprachigen Raum dar? Gibt es gravierende Unterschiede zu den englischsprachigen Ländern?

A: Die Unterschiede sind so groß, wie die Menschen selbst. Abgesehen davon sehe ich kaum Unterschiede. Logen, Zirkel und Zusammenschlüsse haben nicht mehr nur damit zu tun ihre Magie zu finden und zu erforschen, sondern auch noch damit zu kämpfen ihre Muster und Strukturen laufend zu überdenken. Alle in der modernen Welt müssen ihre Magie mit der rasenden Entwicklung von Technik und Wissenschaft neu abstimmen und positionieren.

(lacht)… oder dann, wenn sie plötzlich mit anderen Paradigmen – wie zum Beispiel dem vodooistischen – konfrontiert werden.

Wir dürfen bei der Bewertung der Situation nicht vergessen, dass es in den letzten Jahren, wie es sehr typisch für die Zeit vor der Jahrtausendwende ist, einen „großen“ Aufschwung der Magie im Allgemeinen gab. Kino- und Fernsehfilme, ja sogar Endlosserien wurden zu magischen und mystischen Themen gedreht. Rollen- und Fantasyspiele mit magischem Hintergrund tauchten in Massen auf. Harry Potter und der Herr der Ringe ziehen uns in ihren Bann. Sachbücher und Romane zu einschlägigen Themen wurden veröffentlicht. Der Zulauf zu magischen Gruppierungen stieg an, viele wurden neu gegründet, oder zu neuem Leben erweckt. Dabei wurden sicherlich eine Menge Menschen angelockt, die den magischen Weg zwar interessant finden, sich aber nie wirklich dafür entschieden haben. Das sind die Wankelmütigen, die Wochenend- und Freizeitmagier, die, die zwei Mal pro Jahr ein magisches Event besuchen, oder zum Beispiel die, deren einziges Ziel es geblieben ist für möglichst viel erotische Ausstrahlung zu zaubern. Die mag es immer geben, aber ich bin überzeugt davon, dass viele dieser Menschen aus den magischen Vereinigungen wieder ausscheiden werden und dass die Nachfrage nach Magie prinzipiell wieder abnehmen wird. Diejenigen, die sich dazu berufen fühlen werden leichter den Weg zu Gleichgesinnten finden. Das ist der große Fortschritt. Wie viele daran beteiligt sind ist zweitrangig.