Verhandlungen mit russischen Geschäftspartnern

Deutsche Unternehmen sind dafür bekannt, exzellente Geschäftsbeziehungen zu Russland zu unterhalten.
Eine Umfrage des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer beweist, dass sich das deutsch-russische Wirtschaftsverhältnis zudem im Aufschwung befindet. Umso wichtiger ist es aber, die Spielregeln und das Geschäftsgebaren des größten Staats der Erde genau zu kennen.

In der russischen Föderation ticken die Uhren schließlich anders und an vielen Stellen lauern Fettnäpfchen.

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Allgemeine Informationen

Mit einer Fläche von rund 17 Millionen km² ist Russland das mit Abstand größte Land der Erde und zählt mit 144 Millionen Einwohnern auch zu den bevölkerungsreichsten. Zudem ist das Land ein Vielvölkerstaat: Obwohl ethnische Russen fast 80 Prozent der Bevölkerung ausmachen, leben über einhundert weitere Ethnien in der Föderation. Offizielle Amtssprache ist Russisch. Die Sprache wird von 99 Prozent der Bevölkerung gesprochen und mit dem kyrillischen Alphabet geschrieben.
Der Einfluss der russisch-orthodoxen Kirche ist seit dem Zerfall der Sowjetunion wieder gestiegen, was sich auch auf Gepflogenheiten im Geschäftsumgang auswirken kann. Neben dem Christentum gibt es in Russland jedoch auch eine bedeutende muslimische Minderheit. In einigen wirtschaftsstarken Regionen wie Tatarstan sollte man deshalb beim Geschäftsessen auf diese Tatsache vorbereitet sein.

Hintergründe für die Geschäftsverhandlungen

In der jüngeren Vergangenheit wurde die russische Mentalität von drei Krisen geprägt: Mit dem Zusammenbruch der Sowjetrepubliken, der Rubelkrise und der Wirtschaftskrise 2008 verloren viele Russen einen Großteil ihrer Finanzen. Dementsprechend weit verbreitet ist ein allgemeines Misstrauen hinsichtlich langfristig ausgelegter Bankkonten und Versicherungen. Viele Russen bevorzugen es, ihre Ersparnisse in schnellen Konsum umzusetzen, und scheuen dabei auch nicht den Luxus. Dieses Phänomen schlägt sich zudem in ihrem Geschäftsverhalten nieder: Innerhalb von zwei bis drei Jahren sollte sich ein Investitionsprojekt amortisieren, ansonsten verlieren viele Russen das Vertrauen. Der Hang zum Luxus macht sich noch in einem weiteren Aspekt bemerkbar: Russische Manager stellen ihre gehobene Stellung in der Gesellschaft gerne durch teure Uhren, edle Schuhe oder maßgeschneiderte Anzüge zur Schau. Bescheidenheit ist eher die Ausnahme, bereitwillig erzählt man vom letzten Urlaub in einem exotischen Land oder dem Restaurantbesuch im Sternelokal. Servicepersonal wird zumeist herablassend behandelt, schließlich gehört man einer darüberstehenden Schicht an.

An vielen Berührungspunkten wird deutlich, dass Deutschland und Russland eine jahrhundertelange gemeinsame Geschichte verbindet. Obwohl diese meist eher negativ geprägt war, genießen Deutsche in der Föderation ein hohes Ansehen, so mancher Geschäftspartner schwärmt und träumt vom Leben in der Bundesrepublik, kann klassische deutsche Literatur aufsagen oder möchte gar mit Priorität mit Deutschen Geschäfte machen.
Trotz dieser historischen Verbundenheit unterscheidet sich das Frauenbild in Russland stark vom deutschen und ist weitaus traditioneller. So wird vom weiblichen Geschlecht erwartet, sich feminin und aufreizend herzurichten. Körperbetonte Kleidung, hohe Schuhe und viel Make-up sind allgegenwärtig. Im Gegenzug erwarten Frauen von Männern ein makellos höfliches und die Gepflogenheiten respektierendes Auftreten als wahre Kavaliere.

Der Geschäftskontakt

Eine gute Möglichkeit, Kontakt zu russischen Geschäftspartnern herzustellen, ist ein Messebesuch. Die Finanzmetropole Moskau verfügt über die größte Anzahl an offiziellen deutschen Messebeteiligungen weltweit. Daneben setzen bestimmte Regionen auf genauere Schwerpunkte, wie beispielsweise Sankt Petersburg mit dem Automobilbau oder Krasnodar mit der Landwirtschaft.
Pünktlichkeit ist in Russland eine unscharfe Angelegenheit, mal ist mit der Einhaltung einer Uhrzeit zu rechnen, dann wieder nicht. Von Deutschen wird diese Pünktlichkeit jedoch stets erwartet. Lesen Sie dazu mehr in diesem Artikel:
Aufgrund des guten Rufs, den Deutsche in Russland genießen, verletzen belehrende Äußerungen den russischen Geschäftspartner umso mehr. Bemerkungen zum aktuellen politischen Geschehen, Missstände in der Gesellschaft oder kulturell bedingten Unterschieden im Geschäftsablauf sind somit selbstverständlich nicht gern gesehen. Eine bessere Vorgehensweise ist es, bezüglich eigener Unterstützungsmöglichkeiten nachzufragen. Auch ist es durchaus akzeptiert, das Gespräch auf Themen wie Technik, Autos oder ähnliches zu lenken, wenn man sich denn gut damit auskennt.
Persönliche Beziehungen sind in Russland das Schmieröl gelungener Verhandlungen. Es lohnt sich, die Wichtigkeit der Geschäftsbeziehungen hervorzuheben und diese zu pflegen. Termine, die mehr als eine Woche in der Zukunft liegen, sollten am Vortag nochmals bestätigt werden. Verabredungen werden in Russland üblicherweise oft noch kurzfristig umgelegt oder gar vollständig abgesagt, selbst noch einen Tag zuvor.

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Die erste Begegnung – Das richtige Geschäftsverhalten

Beim eigentlichen Treffen spielt ein erster Eindruck eine wichtige Rolle. Geschenke sind zwar nicht Pflicht (jedenfalls was Moskau und Sankt Petersburg) betrifft, ein Mitbringsel aus der eigenen Region kommt für gewöhnlich aber gut an. So wären beispielsweise Lübecker Marzipan oder Weißwurst also angemessene Aufmerksamkeiten.
Die Verhandlungsführer sitzen sich bei Gesprächen stets gegenüber. Werden die Plätze nicht durch Platzkarten angegeben, muss man warten, bis einem der Stuhl zugewiesen wird. Der Dolmetscher nimmt direkt daneben Platz.
Eine strenge Miene ist bei Geschäftsverhandlungen keineswegs ein schlechtes Zeichen, sondern soll vielmehr Seriosität suggerieren. Form und Etikette sind hoch angesehen, insbesondere deutsche Tugenden, zu große Offenheit kann hingegen als Ungeduld interpretiert werden. Gerade diese Geduld ist in Russland jedoch eine Tugend, denn nur so funktionieren erfolgreiche Geschäftsbeziehungen.
Die anschließende Verhandlung folgt einem genauen Zeitplan und besitzt eine klare Agenda. Es gilt, diesen vorgegebenen Rahmen weitestgehend einzuhalten, weshalb abschweifende Diskussionen unerwünscht sind. Wesentliche Eckdaten der Verhandlung wie Preis und Zahlungsmodalitäten sollten bereits im Vorfeld besprochen worden sein. Überraschungen sind für Russen im Geschäft unangenehm, kurzfristige Änderungen sollten daher vor einer Verhandlung kommuniziert werden.

Verhandlungstaktiken

Trotz einer strikten Agenda können russische Geschäftspartner bisweilen theatralisch auftreten und mit ihren Äußerungen übertreiben. Fakten treten hinter wortreichen Ausführungen zurück, private Gespräche ersetzen fachliche. Um dennoch zu zufriedenstellenden Ergebnissen zu kommen, sollte man mit einfacheren Ideen starten und diese anschließend in komplexere Zusammenhänge stellen. Dabei gilt es außerdem zu beachten, dass Kompromissbereitschaft für Russen ein Zeichen von Schwäche ist. Der Geschäftspartner wird diese Situation aussitzen und darauf hoffen, dass sein Gegenüber aus Mangel an Zeit oder Geduld einlenkt. Unerschütterliches Selbstbewusstsein ist vonnöten, um diese Hürde zu überwinden und das eigene Ziel zu erreichen. Gibt die russische Seite jedoch selbst eine Zusage, erwartet sie auch ein Entgegenkommen.
Verhandlungen sind geprägt von schnellen und effektiven, aber oftmals improvisierten Lösungen. Während Deutsche die fehlende Weitsicht und Planung kritisieren, stören sich Russen an der deutschen Langsamkeit und Verzögerung. Gleichzeitig macht die russische Seite für gewöhnlich schon von Beginn an auf scheinbar banale Mängel aufmerksam und hält sich nicht damit zurück, diese direkt anzusprechen. Dahinter steckt nicht immer böser Wille, manchmal bringen die Geschäftspartner durchaus berechtigte Einwände vor: Faktoren wie extreme klimatische Bedingungen und eine suboptimale Infrastruktur machen den Transport schwierig und russische Einkäufer vorsichtig. Zudem ist eine Rückgabementalität in der Russischen Föderation kaum verbreitet.
Man muss sich also der Konsequenzen einer jeden Aussage bewusst sein, denn nur mit Bestimmtheit kann man diese kulturelle Hürde überwinden und die eigenen Konditionen aufrechterhalten.
Es lohnt sich dabei, auf die Qualität der eigenen Produkte zu verweisen. Deutsche Produkte und deutscher Service genießen in Russland – mehr als in wohl jedem anderen Land – einen ausgezeichneten Ruf. So sind Russen durchaus dazu bereit, hohe Preise für gute Leistungen zu bezahlen. Diese muss dann aber auch erfüllt werden.

Das Geschäftsessen

Sofern ein Geschäftsessen auswärts angesetzt ist, wählt normalerweise die russische Seite das Lokal und übernimmt auch die Rechnung. Niemals wird diese geteilt, man erwartet stattdessen, dass die andere Seite beim nächsten Mal bezahlt.
Für die Begrüßung verwendet man Vor- und Nachnamen, anschließend darf man nach einem kurzen Austausch von Nettigkeiten zum Geschäftlichen übergehen.
Auch stellt die Trinkkultur einen wichtigen Teil des Geschäftsessens dar. Wird Wodka geordert, muss jede Runde von einem Trinkspruch begleitet werden. Den ersten gibt der Gastgeber vor, jeder dritte ist dem weiblichen Geschlecht gewidmet. Weitere beliebte Themen sind die deutsch-russischen Beziehungen, die anstehenden Geschäfte oder die Gesundheit.
Zwei Fauxpas, die es zu vermeiden gilt, sind das Naseputzen und das Pfeifen durch die Lippen. Ersteres wird als unhygienisch angesehen, letzteres führt nach einem Aberglauben dazu, dass man all sein Geld verliert.
Beim Trinkgeld gelten 10 Prozent der Rechnung als angemessen.

Hierarchien in der Geschäftswelt

Die Identifikation mit der Unternehmensführung ist in Russland stark ausgeprägt. Diese Autoritätspersonen müssen in der russischen Erwartung auch ein gewisses Machtgehabe an den Tag legen. Sichtbar wird dies beispielsweise durch Statussymbole und gewisse Privilegien. Ein Vorgesetzter gesteht niemals eigene Fehler ein und fällt Entscheidungen in zentralistischer Form. Schließlich unterstreicht er seine gehobene Stellung auch dadurch, eine gewisse Distanz zu seinen Mitarbeitern zu pflegen.
Aufgrund dieses Gehorsams gegenüber höherrangigen Mitarbeitern verfügen russische Geschäftspartner bisweilen nur über geringe Flexibilität. Oftmals treten Verhandlungspartner als geschlossene Gruppe auf, denn wer von der Gruppenmeinung abweicht, gilt als illoyal. Dieses vereinte Auftreten sollte auch die deutsche Seite an den Tag legen: Die Argumention muss einheitlich vorgetragen und ein eindeutiger Meinungsführer definiert werden, um den Russen eine klare Verteilung der Autorität zu signalisieren.

Lesen Sie mehr zu diesem Thema unter: global-cultures.com

 

November 28th, 2018 von