Second Hand Polizzen: Was steckt hinter dem Handel mit alten Lebensversicherungen?
Die meisten Menschen kennen Versicherungen nur als langfristige Verpflichtung: abschließen, einzahlen, abwarten. Doch es gibt einen wenig bekannten Zweitmarkt, auf dem Lebensversicherungen weiterverkauft werden – sogenannte Second Hand Polizzen. Was kurios klingt, ist ein lukratives Geschäft für Anleger, Vermittler – und manchmal auch für die Versicherten selbst.
In diesem Artikel erfährst du, was Second Hand Polizzen sind, wie der Handel funktioniert, welche Risiken bestehen – und warum dieser Markt vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz diskutiert wird.
Was ist eine „gebrauchte Polizze“?
Eine Polizze ist ein Begriff aus dem österreichischen Versicherungswesen und bedeutet einfach: Versicherungsurkunde. Im engeren Sinne geht es bei „gebrauchten Polizzen“ meist um:
- Lebensversicherungen, die bereits seit Jahren bestehen
- Verträge, die nicht mehr benötigt oder leistbar sind
- Policen, die nicht gekündigt, sondern verkauft werden
Dabei übernimmt ein Dritter – meist ein Investor oder Fonds – die Police, führt die Prämienzahlungen weiter und kassiert später die Versicherungssumme.
Warum verkauft jemand seine Lebensversicherung?
Gründe gibt es viele:
- Finanzielle Engpässe
- Änderung der Lebensumstände (z. B. Scheidung, Immobilienkauf)
- Unzufriedenheit mit Rendite
- Wunsch nach sofortiger Liquidität
Ein Verkauf auf dem Zweitmarkt bringt oft mehr Geld als eine Kündigung, da der Rückkaufswert bei Kündigung häufig niedriger ist als der Marktwert.
Wie funktioniert der Zweitmarkt für Second Hand Polizzen?
1. Versicherungsnehmer bietet seine Polizze an
- Anbieter: spezialisierte Zweitmarktplattformen oder Fonds
- Voraussetzungen: meist Mindestrückkaufswert (z. B. 10.000 €) und gute Vertragskonditionen
2. Bewertung und Kaufangebot
- Faktoren: Vertragslaufzeit, Rückkaufswert, Prämienhöhe, garantierte Leistungen
- Der Käufer zahlt einen höheren Betrag als der Rückkaufswert – aber unter dem erwarteten Endwert
3. Übernahme der Polizze
- Der neue Inhaber wird wirtschaftlicher Eigentümer
- Prämienzahlung läuft weiter – Auszahlung am Ende geht an den Käufer
Wer verdient an Second Hand Polizzen?
| Beteiligter | Nutzen |
|---|---|
| Versicherter | Erhält mehr Geld als bei Kündigung |
| Investor | Verdient an der Differenz zwischen Kaufpreis und Auszahlung |
| Vermittler / Makler | Erhält Provisionen |
| Versicherung | Vertrag bleibt bestehen (kein Stornoverlust) |
Risiken und Kritikpunkte
So interessant das Modell klingt – es gibt auch Kritik und Risiken:
Für Versicherungsnehmer:
- Verlust von Versicherungsschutz
- Komplizierter Prozess (juristisch & steuerlich)
- Nachverkaufswert kann höher steigen als erhaltene Summe
Für Käufer:
- Lebenserwartung des Versicherten ungewiss
- Versicherer kann Bedingungen ändern
- Staatliche Regulierungen oder Gerichtsurteile können Rendite senken
Kritik von Verbraucherschützern:
- Intransparente Modelle bei Fonds und Zwischenhändlern
- Teilweise Spekulation auf den Tod bei US-Policen (sog. „Life Settlements“)
- Steuerliche Nachteile möglich
Internationale Perspektive: Life Settlements in den USA
In den USA ist der Handel mit Lebensversicherungen („Life Settlements“) ein milliardenschwerer Markt. Dort werden Polizzen auch mit dem „Sterbedatum“ als Renditefaktor gehandelt – ethisch hoch umstritten.
In Europa – besonders im deutschsprachigen Raum – ist der Markt kleiner, strenger reguliert und weniger spekulativ, konzentriert sich aber ebenfalls stark auf Lebensversicherungen.
Worauf sollten Versicherungsnehmer achten?
✅ Seriösen Anbieter wählen (z. B. Mitglieder im Bundesverband Zweitmarkt Lebensversicherungen)
✅ Angebote vergleichen – nicht sofort annehmen
✅ Steuerliche Folgen prüfen (z. B. Versteuerung von Gewinn)
✅ Beratung durch unabhängigen Makler oder Verbraucherzentrale einholen
✅ Restlaufzeit, Rendite und Bedingungen genau prüfen
Beispielrechnung
| Variante | Auszahlung |
|---|---|
| Kündigung durch Versicherten | 9.000 € Rückkaufswert |
| Verkauf als gebrauchte Polizze | 10.800 € auf dem Zweitmarkt |
| Auszahlungswert bei Laufzeitende | 14.500 € (geht an Käufer) |
Der Verkäufer erhält 20 % mehr als bei Kündigung – der Käufer macht langfristig Gewinn.
Second Hand Polizzen sind kein Müll – sondern ein Markt
Was auf den ersten Blick wie ein kurioser Begriff wirkt, ist in Wirklichkeit ein alternativer Finanzmarkt, der für Versicherte, Investoren und Makler Chancen bietet. Der Verkauf gebrauchter Polizzen kann eine clevere Lösung sein – aber nur, wenn alle Risiken, rechtlichen Rahmenbedingungen und Kosten berücksichtigt werden.
Tipp: Wer seine Lebensversicherung nicht mehr braucht, sollte nicht vorschnell kündigen, sondern den Zweitmarkt prüfen.
